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...kauft teuer

Wir bezweifeln jedoch überhaupt ganz grundsätzlich die Sinnhaftigkeit einer rein quantitativen Erfassung des Werts rechtsanwaltlicher Leistungen aus einer ganz anderen, unseres Erachtens viel grundsätzlicheren Erwägung: Es entspricht einfach nicht dem Wesen geistiger Leistungen, sie ausschließlich und allein nach dem dafür erforderlichen Zeitaufwand zu beurteilen.

Abgesehen davon, dass die für eine derartige Verrechnung unvermeidbar vorausgesetzte, penibelste, „Zeiterfassung“ (statt „Leistungserfassung“) dazu verleiten muss, den Aspekt des Umfangs der erbrachten Leistung allzu sehr in den Vordergrund zu rücken, und – möglicherweise auch, um besser zu verdienen – auch mehr Zeit in lukrative Arbeit zu investieren, als vielleicht tatsächlich notwendig ist:

Ein guter, wenn nicht sogar der wichtigste, Teil der anwaltlichen Arbeit besteht nicht aus quantitativen, sondern qualitativen Aspekten: ein rechtliches Problem von Anfang an in seinen entscheidenden Dimensionen zu erfassen, zunächst vor allem richtig zu diagnostizieren, um erst dann die richtige Therapie möglich zu machen, Ideen zu entwickeln, Kreativität zu entfalten, ist in weiten Bereiche keine Frage der Zeit, die dafür aufgewendet werden muss, sondern der Phantasie und einer spezifisch juristischen intellektuellen Begabung.

Und vor allem könnte nach Zeiteinheiten zu verrechnen auch dazu verleiten, nicht den kür-zest möglichen Weg für seine Klienten zu suchen, und ihm damit nicht nur mehr Geld, sondern auch wertvolle Lebenszeit und -energie zu rauben:

Bertolt Brechts Gleichnis vom Gärtner, der versucht, einen Baum in die perfekte runde Form zu bringen, bis am Ende überhaupt nichts mehr von der Pflanze übrig bleibt, ist nicht nur eine Parabel über das Verhältnis von Form und Inhalt, sondern mehr noch vielleicht über den Zeitaufwand für wirklich gelungene Arbeit: ein Werk muss nicht zwingend besser werden,
wenn man immer noch einen weiteren Arbeitsschritt zu setzen für erforderlich hält (oder halten muss, um mehr „billable hours“ vorweisen zu können).

Unser Plädoyer gegen den Stundensatz...

... (auch wenn wir notfalls sehr wohl auch zu derartigen Vereinbarungen bereit sind) speist sich aus der Überzeugung: Weniger ist mehr! – Und daher manchmal auch: Wer billig kauft, kauft teuer. – Oder noch anders formuliert: Was wir bieten wollen, ist Klasse statt Masse.